Ein inszeniertes „Europa-Speed-Dating” und ein Appell für eine offene, demokratische Gesellschaft, mit dem sich der Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT) den aktuellen „Glänzenden Demonstrationen für ein Europa der Vielen” anschloss, bildeten den Abschluss des Ersten Gesamteuropäischen Seniorentheater-Festivals stAGE!. Vom 16. bis 19. Mai bot das Festival an der Württembergischen Landesbühne Esslingen, mit weiteren Aufführungen im Kulturzentrum Dieselstrasse und CentralTheater, eine künstlerische Plattform für Menschen aus allen Regionen Europas. Mit mehr als 1.600 Besucherinnen und Besuchern ging das Theatertreffen erfolgreich zu Ende.
Das Eingangsfoto (von Ines Rudel) zeigt allerdings die Teilnehmer des kulturpolitischen Eröffnungs-Talks mit (v. l.):
Dr. Regina Görner (Stellv. Vorsitzende Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen / BAGSO), Naemi Keuler (Präsidentin Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg), Nils Hanraets (Vizepräsident Bund Deutscher Amateurtheater / BDAT), Petra Olschowski (Staatssekretärin Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst), Eva Bittner (Bundesarbeitskreis Seniorentheater), Dr. Jürgen Zieger (Oberbürgermeister Esslingen), Friedrich Schirmer (Intendant WLB Esslingen), Irene Ostertag (Geschäftsführerin BDAT).
„Dieses Festival hat eine spannende Vielfalt an künstlerischer Ästhetik und gesellschaftlichen Fragestellungen aufgezeigt. Ich freue mich, dass unser Konzept aufgegangen ist, das zeigt auch die große positive Resonanz des internationalen und regionalen Publikums. Das Festival stAGE! ist ein wichtiger Meilenstein für die weitere Entwicklung und Vernetzung des europäischen Seniorentheaters”, sagte Nils Hanraets, Vizepräsident im Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT) und Sprecher des Bundesarbeitskreises „Seniorentheater”.
Im Mittelpunkt des Festivals standen die Aufführungen der sieben Gruppen aus sechs Ländern. Mit ihrer poetisch gespielten, non-verbalen Geschichte über das Leben, die Liebe, die Tücken des Alltags und des Alterns, gab die dänische Gruppe Teaterrødderne mit der Eigenproduktion „Stiller Lärm“ einen fulminanten Einstieg in das Festival.
In ihrer Landessprache spielte das Sighnaghi Theater aus Georgien das Stück „Jemand ruft“. Ohne Übersetzung brachte die intergenerative Gruppe mit starken Charakteren die Themen Einsamkeit, Verlustängste und das schwere Leben in einer abgeschiedenen ländlichen Region emotional berührend auf die Bühne.
Mit „Quadrat“ und „Was wo“ fanden gleich zwei Stücke von Samuel Beckett Eingang in die sprachlich und bühnenbildlich minimalistische Inszenierung des Amateurtheater Otpad aus Estland. Rhythmisches Gehen, kurze Begegnungen, eine Stimme aus dem Off. Die Inszenierung bot dem Publikum viele Interpretationsmöglichkeiten.
Lebendig, selbstironisch und mit viel Sprachwitz setzte der Seniorenclub Ü61 / Junges Theater Solothurn (Schweiz) die Eigenproduktion „Gate 11“ in Szene. Ein abgesagter Flug führte eine traditionelle und eine experimentelle Theatergruppe auf dem Weg zu einem Festival zusammen. Was aus der Not entstand, entwickelt sich zu einer spritzigen Gemeinschaftsproduktion.
Für den Seniorenspielclub der WLB Esslingen war es ein „Heimspiel“. Ihr Stück „Sigrid warf mit Tomaten – Die stille Revolution“ hatte die Emanzipation der Frauen, verkrustete Rollenbilder und verschiedene Lebensentwürfe der 68er-Generation und ihre Auswirkungen auf das Heute im Fokus.
Die griechische Mythologie um „Eros und Psyche“ setzte das griechische Frauen-Ensemble KINITIRAS modern in Szene. Traditionelle und moderne Musik bildeten den Rahmen für ein kunstvoll-ästhetisches und ausdrucksstarkes Bewegungs- und Tanztheater.
Viel Humor und ein rasantes Tempo, mit immer wieder wechselnden Kulissen, zeichneten das Spiel vom Seniorentheater in der Altstadt SeTA aus: „I Hired a Contract Killer“ nach Aki Kaurismäkis Film ist eine Gesellschaftssatire über den Mid-Ager Henri Boulanger. Der in London arbeitslos werdende Franzose verliert Halt und Boden, engagiert für sich selbst einen Killer, findet aber neue Lebenslust durch die Liebe. Eine ideenreiche Inszenierung.
Mit Nachgesprächen zu den Aufführungen, einem Forschungslabor mit Fragestellungen zum Alter und zum Altern, Vorträgen und einer kleinen interaktiven Ausstellung gestalteten Studierende des Instituts für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig die wissenschaftliche Festivalbegleitung im Rahmen der Kooperation mit dem Centre of Competence for Theatre (CCT). Unter der Leitung von Jun.-Prof. Dr. Veronika Darian wurde das Forschungslabor zu einem lebendigen Festival-Treffpunkt mit nachhaltigen Impulsen. Die Möglichkeit, sich künstlerisch fortzubilden, bot ein attraktives Workshop-Programm, veranstaltet vom Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg. Auch Aktive im Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung 27plus nutzten unter der pädagogischen Leitung von Sigrid Haase (BDAT) das Festival als Bildungsveranstaltung. Für musikalische Intermezzi und Spontan-Aktionen mit dem Festival-Publikum sorgten Studierende der PH Ludwigsburg unter Anleitung des Komponisten Bernhard König.
Der Intendant der Württembergischen Landesbühne Esslingen Friedrich Schirmer zeigte sich zum Abschluss begeistert von der Qualität der Produktionen und der Atmosphäre. Er empfiehlt die baldige Fortsetzung des Festivals. Gerne auch in Esslingen!
Eine kleine Fotoauswahl zu den Produktionen findet sich hier.