Neulich kam dem Herxheimer Dorftheater eine Pandemie in die Quere. N I C H T S ging mehr.
Aber wo N I C H T S ist, ist ja bekanntermaßen alles möglich. Zum Beispiel, den hygieneverriegelten Theaterraum zu verlassen und sich auf einer riesigen, zum Gelände manifestierten Abstandsregel breitzumachen: der Herxheimer Sandrennbahn. Und zu fragen: Wem gehört die eigentlich, wenn dort gerade N I C H T S stattfindet? Flora oder Fauna? Sportskanonen oder Baulöwen? Forschern oder Zombies? Wüstensöhnen oder Ozeantöchtern? Cellistinnen oder Blaskapellen? Blinden Propheten oder hellsichtigen Erlöserinnen? Allen? Niemandem?
Mal sehen. BÄM!
Am 27.08.2021 um 19:00 Uhr ist jetzt Premiere auf der Sandrennbahn in Herxheim bei Landau. Es spielen 7 Schauspieler*innen, eine Cellistin, sowie einigen Spezialgästen und eine Rennbahn.
Der Hauptdarsteller Rennbahn bestimmt auch maßgeblich die Stückdramaturgie und ästhetischen Mittel Im ersten Teil der Inszenierung wird das noch vorhandene Tageslicht für ein episches Gesamtszenario genutzt und vornehmlich gesamtflächig auf dem Areal gespielt. Die Szenen sind bild- und bewegungsdominant, die Musik fungiert als Kommentarinstrument. Es entsteht ein Bilderbogen der Behauptungen, was dieser Ort angeblich war, ist oder sein könnte. Mit zunehmender Dunkelheit rückt das Geschehen immer näher an die Zuschauertribüne heran, bis am Ende fast eine Guckkastensituation erreicht ist. Die Sprache kehrt mit der Verengung des Raumes wieder zu dem Spieler*innen zurück, nun werden die im ersten Stückteil bildlich angerissenen Themen auch über dialogische Szenen und konkretere Rollenzeichnungen weiterentwickelt; und auch das Musikalische werden kammerspieliger und intimer.
Die sich im Hintergrund verdunkelnde Rennbahn wird schließlich nur noch punktuell beleuchtet und akzentuiert bespielt, verschwindet in ihrer Gesamtheit mehr und mehr, bis sie sich schließlich gänzlich entzieht und im Nichts verschwindet. Wohin auch sonst?
Die Regisseurin Esther Steinbrecher wurde 1972 im wilden Odenwald geboren, studierte Angewandte Theaterwissenschaft mit Diplomabschluss an der Justus-Liebig-Universität in Gießen und lebt heute in Berlin. Seit 1998 arbeitet sie allerorts als freiberufliche Theatermacherin. Unter dem Label „Crisenmanagement – Weltverbesserung mit Hintergrundmusik“ wandelt sie außerdem mit interaktiven und partizipativen Interventionen regelmäßig auf dem schmalen Grat zwischen Alltagskultur und Kulturalltag. Sie ist Mitglied der interdisziplinären Künstlergruppe „gärtnerpflichten“ sowie der „Reisenden Sommer-Republik“.
Esther Steinbrecher konzipiert, schreibt und inszeniert Stücke, Shows und künstlerische Alltagsinterventionen, die sich im Spannungsfeld von Komik und Tragik bewegen, zwischen Provinz und Metropole, E und U, In und Out, Sein oder Nichtsein. Dabei arbeitet sie gleichermaßen mit Profibühnen und Amateurensembles zusammen, inszeniert sowohl Dramenvorlagen als auch gemeinsam entwickelte Stoffe und eigene Stücke und war mit ihren Arbeiten bereits auf diversen Festivals vertreten. 2020 erhielt ihre Inszenierung „Alice – Folge dem weißen Kaninchen!“ den Deutschen Amateurtheaterpreis *amarena*. Mit dem Herxheimer Dorftheater hat Esther Steinbrecher bisher die Stücke „BLäGG aUd! – Wenn du nicht mehr weißt, warum du der Cowboy ohne Hose bist“ (2014) und „Grundeis – Vorfisch ist besser als Nachfisch“ (2017) entwickelt und realisiert.
Für die Ausstattung und die Raumkonzeption ist Jörn Fröhlich verantwortlich. Jörn Fröhlich wurde 1970 in Hamburg geboren und hat nach seiner Gesellenprüfung als Damenschneider am Staatstheater Darmstadt an der UdK Berlin Kostüm- und Bühnenbild mit Diplomabschluss studiert.
Seit 1994 realisiert er konzeptionelle Entwürfe von Bühnenräumen und Kostümen im Rahmen von Schauspiel- und Musiktheaterproduktionen an europäischen freien Bühnen sowie Stadt- und Staatstheatern, unter anderem als Produktionsleiter in der Kostümabteilung an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf (2002 – 2005).Seit 2010 ist Jörn Fröhlich außerdem Projektleiter und Koordinator an der Fakultät Kunst und Design im Fachbereich Mode und Textildesign an der Izmir University of Economics in Izmir/Türkei und lehrt in den Bereichen Kollektionsgestaltung, Visual Marketing, Visual Merchandising, Kostümbild und Digitales Portfolio-Design. Jörn Fröhlich arbeitet zum 3 Mal mit dem Herxheimer Dorftheater zusammen.
Die Musik trägt die Cellistin Regina Wilke bei. Regina Wilke wurde an Musikhochschulen in Würzburg, Karlsruhe, Bremen und München ausgebildet und ist seit 2005 diplomierte Musikerin und Musikpädagogin. Sie komponiert und improvisiert Musik mit Cello, Stimme und Elektronik für Film, Theater, Bühne und Veranstaltungen. Außerdem unterrichtet sie Cello und coacht Instrumentalisten aller Art in Bühnenpräsenz, musikalisch-persönlicher Entwicklung, Ausdrucksfähigkeit und Authentizität.
Regina Wilke liebt es Sounds zu erschaffen und damit zu spielen. Dabei lässt sie sich von den unterschiedlichsten Eindrücken inspirieren, macht Dinge hörbar, die vorher anderen Sinnesempfindungen zugeordnet waren und so eine neue Dimension bekommen. 2019 zeichnete Regina Wilke verantwortlich für Kompositionen und Livemusik beim Schauspiel „Don Karlos“ unter der Regie von Maximilian von Mayenburg am Theater Baden-Baden. Im gleichen Jahr veröffentlicht sie gemeinsam mit Harald Laudenbach ihr erstes Studioalbum „PsychoClassic“. 2020 folgt die Veröffentlichung ihres Soloalbums „Freiheit“.
Mit dem Herxheimer Dorftheater kooperiert Regina Wilke erstmalig für die Produktion „NICHTS“ und wird für das Stück Live-on-Stage-Improvisationen erschaffen.
Info:
Kartenvorverkauf (16 € / erm. 10 €) über www.reservix.de und über alle reservix-Vorverkaufsstellen.
Fr 27.8.2021 (Premiere); Sa 28. und So 29.08.2021 // Do 02. bis So 05.09.2021 // Do 09. bis So 12.09.2021
Beginn: 19:00 Einlass ab 18:30 Uhr im Waldstadion Herxheim (Tribüne)
N I C H T S ist eine Produktion des Herxheimer Dorftheater e.V. Das Projekt wird gefördert vom Kultursommer Rheinland-Pfalz 2021, der Lottostiftung, dem Verband Deutscher Amateurtheater, der Sparkassenstiftung, der Ortsgemeinde Herxheim und einigen privaten Sponsoren.
Das Herxheimer Dorftheater e.V. ist ein Theaterverein für Amateure, der seit vielen Jahren Theaterprojekte organisiert und im Chawwerusch Theater Saal in Herxheim aufführt, zuletzt 2017 „Grundeis“ oder 2019 das Stück „Rosa B. beinah vergessen“ der Theatergruppe WeibsBilder, das auch für den Deutschen Amateurtheaterpreis „amarena“ 2019 nominiert war.
Fotos: Jörn Fröhlich