Auch der BDAT wurde von den aktuellen bundespolitischen Entwicklungen überrascht, hat aber jetzt in aller Eile den Versuch gestartet, auf die in Windeseile entstehenden Wahlprogramme einzuwirken und bei den Parteizentralen und Parteifachgremien den Dachverband BDAT als Ansprechpartner mit Expertise für Amateurtheater ins Spiel zu bringen. Wir veröffentlichen dieses 5-Punkte-Papier:
Ca. 200.000 Menschen engagieren sich kulturell ehrenamtlich im Amateurtheater, in 2.500 Mitgliedsbühnen im Bund Deutscher Amateurtheater e.V. (BDAT). Die Bühnen sind in allen deutschen Bundesländern vertreten, von Rostock bis Rosenheim, vom Erzgebirge bis zum Saarland.
Die Amateurtheater, einige über hundert Jahre alt und andere gerade frisch gegründet, sind Orte der niedrigschwelligen Begegnung. Hier schaffen ganz verschiedene Menschen gemeinsam Kulturerlebnisse. Sie bieten dabei Geselligkeit und eine sinnhafte, aktive Freizeitgestaltung. In ihren Aufführungen zeigen sie Glück und Tragik menschlicher Beziehungen, reflektieren die politische Weltlage und bieten sich und ihrem Publikum Orte der Unterhaltung, des Überdenkens, der Resilienz und gegenseitiger Unterstützung, gerade in den aktuell schwierigen und krisenhaften Zeiten.
Amateurtheater leisten damit kontinuierlich ihren Beitrag, Gemeinschaft in Deutschland zu stiften. In Amateurtheatervereinen treffen sich Menschen unterschiedlicher Generationen, Herkünfte, Mundarten, Sprachen, Berufe und Interessen. Im Theaterspiel und in der Arbeit hinter den Kulissen sind sie beste Beispiele dafür, wie Neues gemeinsam geschaffen werden kann und zeigen, dass Integration, Inklusion und Zusammenhalt gelingen. Amateurtheater, darunter einige große Freilichtbühnen, wirken als Kulturakteure in der Stadt und ganz besonders auf dem Land: zwei Drittel der Bühnen spielen in Ländlichen Räumen.
Amateurtheater sind zudem wichtige Bildungsorte mit attraktivem Potential für lebenslanges Lernen. Sie bieten aktive Kulturelle Bildung und sprechen mit besonderen Theatergruppen speziell auch junge Menschen und Menschen im hohen Alter an.
Bei allen Aktivitäten im Amateurtheater arbeiten die Engagierten unter nachhaltigen Gesichtspunkten und mit wenig Mitteln, wenig Geld, dem unentgeltlichen Einsatz ihrer privaten Zeit und viel Herzblut. In Zeiten gesellschaftlicher Transformation sind Amateurtheater konkrete Orte, in denen eine aktive Bürgerschaft ihre lokale Lebenswirklichkeit sichtbar gestalten kann. Sie sind Ausdruck eines selbstwirksamen Miteinanders und schaffen so Verbindlichkeit, Verbundenheit und Vertrauen in die Gesellschaft.
Damit die Arbeit der Amateurtheater, die so wichtig ist für den sozialen und demokratischen Zusammenhalt, nachhaltig weiter gehen kann und für die Zukunft neue Engagierte gewinnt, fordern wir
als Bundesverband für Amateurtheater in Deutschland:
1. Einen Fonds für Amateurtheater einrichten!
Schaffen wir erstmals mit einem speziellen „Amateurtopf“ die Möglichkeit, für Amateurtheater-Projekte eine Förderung auf Bundesebene zu erhalten. Der Fonds Amateurtheater soll unter Berücksichtigung der Amateurtheaterspezifika und in Analogie zum „Fonds Amateurmusik“ beim Bundesverband Musik, Chöre und Orchester (BMCO) entstehen. Dieser Amateurmusikfonds wurde 2023 neu eingerichtet.
Ziel des Amateurtheaterfonds ist niedrigschwellige Förderung, mit geringen Förderbeträgen von 500 Euro bis 8.000 Euro pro Projekt. Anvisierter Gesamtumfang pro Jahr: 500.000 – 1.000.000 Euro.
2. Raus aus der Bürokratiefalle! Ehrenamt und Freiwilliges Engagement anerkennen und unterstützen
Das Engagement von Vereinen, Ehrenamtlichen und Freiwilligen muss befördert und nicht mit bürokratischen Hemmnissen beladen werden. Dazu gehört z. B. eine unbürokratische Festbetragsfinanzierung bei Förderungen. Stärkere Engagementstrukturen benötigen analoge und digitale Infrastruktur, wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für die materielle und immaterielle Anerkennung der Engagierten und Vereine. Die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts muss daher der Bedeutung der Zivilgesellschaft für die politische Willensbildung gerecht werden.
3. Ehrenamts – Check!
Zivilgesellschaftliches Engagement ist essentiell für eine funktionierende Demokratie. Alle Gesetzes- und Regelungsvorhaben auf Bundesebene müssen einen „Check Ehrenamt“ durchlaufen, um Ehrenamtliche Tätigkeiten besonders zu berücksichtigen und keine neuen Stolperfallen aufzubauen, die das Engagement von Menschen verhindern.
4. Theater für alle – Zeit und Zugang für Kultur und aktive Beteiligung schaffen!
Ob als Dienstleistende im generationsoffenen Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung (BFD) im Theaterverein, oder im Bildungsurlaub: die aktive Teilnahme an (kulturellen) Aktivitäten ist empathie- und entwicklungsfördernd in jedem Alter und stärkt so die Gemeinschaft. Aufgabe auch der Bundespolitik ist es, hier in verschiedenen Gesellschaftsbereichen Freiräume dafür zu schaffen. Neben Schule und Arbeit muss Menschen Zeit dafür bleiben, Menschen in benachteiligten Lebenssituationen muss der Zugang ermöglicht werden. Die Verwirklichung von Inklusion ist Menschenrecht auch bei Kultur und Engagement!
Ob in außerschulischen Angeboten oder Kooperationen mit Ganztagsschulen, als Bildungsurlaub oder durch neue kreative Ideen wie ein „Freier Tag für Kulturortebesuch“. Bei flächendeckender Einführung von Ganztagsgrundschulen muss die Einbindung von Theatervereinen mitgedacht werden.
An der Finanzierung von Freiwilligendiensten wie dem BFD Kultur und Bildung darf nicht gespart werden!
5. Internationale Begegnungen fördern!
Amateurtheater engagieren sich für internationale Theaterspielbegegnungen. Sie gastieren selbst bei Festivals im Ausland oder laden Theatergruppen aus Europa und anderen Kontinenten für an ihre Heimatorte für einen Theateraustausch ein. Im Zentrum der zahlreichen internationalen Amateurtheaterprojekte stehen die realen Begegnungen aller Menschen in Vielfalt und Toleranz. Sie tragen damit zum unabdingbaren zivilgesellschaftlichen Fundament für ein weltoffenes Deutschland bei und helfen in einer Zeit weiter zunehmender internationaler Spannungen Vorurteile von Mensch zu Mensch abzubauen. Internationale Begegnungen erfordern eine langfristige Planung und besonders hohes, zeitintensives ehrenamtliches Engagement. Nachhaltige und wertebasierte transkulturelle Kooperationen brauchen verlässliche Strukturen und für Ehrenamtliche auskömmliche finanzielle Grundlagen. In ihrer informellen „diplomatischen Mission“ für Deutschland setzen Amateurtheater eigenes Geld ein, benötigen aber weiterhin dringend die Unterstützung der Bundespolitik.
Wir fordern als Basis für eine zukunftsorientiertes, zivilgesellschaftliches Miteinander eine kontinuierliche Fortführung der Förderung aus Mitteln des Auswärtigen Amtes für internationale Amateurtheaterbegegnungen und eine auskömmliche jährliche finanzielle Förderung in Höhe von 100.000 Euro.
Für den BDAT-Vorstand:
Simon Isser
Präsident
Bund Deutscher Amateurtheater e.V.
Irene Ostertag
Geschäftsführerin