Landesverband Amateurtheater Rheinland-Pfalz e.V.

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Grimm’scher Grusel wirft Schatten ins Schrumpftal

Vier gnadenlose Aufführungen in der Mörzer Steinsmühle

Grimm’scher Grusel wirft Schatten ins Schrumpftal

Unter dem Titel „Grimms Grimmige Märchen“ fanden in der Zeit zwischen dem 14. und 21. Juni vier Aufführungen unserer Mitgliedsbühne Mörzer Rezitäter aus Münstermaifeld-Mörz statt. Von diesen Aufführungen wollen wir einen Eindruck vermitteln:

 

Wer kennt sie nicht: Aschenputtel, Dornröschen, Rotkäppchen, Rapunzel und das Rumpelstilzchen? Oder all’ die anderen schönen Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm? Wirklich alle?

 

Ein erheblicher Teil der über 200 uralten Geschichten dürfte den Meisten völlig unbekannt sein. Doch genau denen widmeten sich die Mörzer Rezitäter mit ihren szenischen Lesungen im Juni 2019 in der Steinsmühle im Schrumpftal.

 

Ausgewählt und gekonnt vorgetragen wurden neun original  Grimm’sche Geschichten: „Frau Trude“, „Des Teufels rußiger Bruder“, „Der arme Junge im Grab“, „Die Eule“, „Der singende Knochen“ , „Die drei Feldscherer“, „Das junggeglühte Männlein“, „Das eigensinnige Kind“ und „Der Hund und der Sperling“.

 

Allesamt sind es Horrorszenarien aus einer Zeit, als Märchen noch nicht als Gute-Nacht-Geschichten vorgelesen wurden, sondern als sie recht anschaulich von den Auswüchsen bitterer Armut oder willkürlicher Herrschaft erzählten. Hier zeigt sich eine Orgie von Gewalt, Totschlag, Niedertracht und Wahnsinn; ein Treiben von Blasphemie, Obszönität und Anarchie. Die Rezitäter begegneten diesem Grimm’schen Grusel mit visuellen, musikalischen und humorvollen Einlagen sowie eigenwilligen Interpretationen, die den unbehaglichen Vorlagen so manchen Schrecken nahmen.

 

In der alten Mühlenscheune präsentierte sich dazu die Vor-Leseecke in angenehmer Wohnzimmer-Atmosphäre; mit behaglichem Kachelofen, Kronleuchter und rotem Ledersessel. Einfach märchenhaft.

 

Gleich daneben erzeugten Licht und Schatten ein lebendiges scherenschnittartiges Figurentheater zu den einzelnen Vorträgen. SchattenspielerInnen ergänzten mit faszinierenden Einlagen die Handlung und agierten mit überraschenden und teilweise lustigen Szenen gegen die Stimmung der doch oft grausamen Handlungen. Mit Musik untermalt (an der Gitarre: Günther Ratzke) visualisierte sich so ein großartiges und eindrucksvolles Märchen-Spektakel.

 

Eine herausragende Rolle spielte dazu das ganz rechts von der Bühne stehende leicht renovierungsbedürftige Fachwerkhaus: war ein Märchen zu Ende, öffneten sich die Klappläden im Obergeschoss und zwei Herren (Jürgen Moteka und Jörg Wiederhold) gaben ihre Sicht auf das Vorhergehende preis. Mit hessischem Akzent kommentierten die verkappten Gebrüder Grimm nicht immer politisch korrekt, durchaus aneckend sozialkritisch, doch immer hochaktuell ihre – scheinbar – eigenen Werke. Diese Einlagen retteten die Zuhörer stets in dem Moment, an dem das Unfassbare ins Unmögliche zu kippen drohte.

 

Hingerissen zwischen Albtraum und Ausgelassenheit quittierte das Publikum die Inszenierungen der Rezitäter (unter der Leitung von Klaus Groß) zum Schluss mit anhaltendem Applaus und fröhlichen Gesichtern.

 

Dann ging das Licht aus, und wenn sie nicht gestorben sind (ganz sicher nicht – am  Rumpelpilzgericht), dann spielen sie noch heute.

 

Fotos: Helmut von Scheven