Vom Volk fürs Volk, Theater mit allen für alle. Das bundesweite Volkstheater-Festival WURZELWERK zeigte vom 12. bis 15. September spannende Facetten des Volks- und Mundarttheaters. Bei bestem Wetter wurden die Freilichtbühne der Passionsspiele Sömmersdorf und die Robert-Seemann-Halle mit sechs Aufführungen, Workshops und Podiumsdiskussion zu einem Ort der Inspiration und des nachhaltigen Dialogs. Macht, Liebe, historische Aufarbeitung, Märchen-Fantasien und gelebte Biographien boten reichhaltige Inszenierungsstoffe. „Die lebendige künstlerische Begegnung, die sich auch in den Nachbesprechungen der Aufführungen zeigte, und die positive Besetzung von Begriffen wie Mundart, Heimat und Kulturaustausch prägten dieses Festival und gaben viele Impulse“, sagte Simon Isser, Präsident des Bundes Deutscher Amateurtheater zum Abschluss des Festivals.
Die Eröffnungsaufführung gestaltete die Galderschummer Theatergruppe des Vereins für Heimat- und Brauchtumspflege Geldersheim (Franken). Ihre Komödie „Ein Schmitt wohnt selten allein“ von Andreas Heck verknüpfte soziale Themen wie Arbeitslosigkeit und Mietnomadentum mit dem humorvollen Blick auf familiäre Turbulenzen.
Starke Bilder und Charaktere prägten das temporeiche Spiel der Gruppe Spielbrett Dresden. Die moderne Inszenierung von „Shakespeares Kaufmann“ griff essentielle Lebensfragen um Geld, Macht und Freundschaft vor religiösem Hintergrund auf. Clowneske Figuren verstärkten eindrucksvoll das Spiel, indem sie den gesellschaftlichen Spiegel vorhielten.
In oberbayerischer Mundart zeigte sich der „Pfennigfuchser“ vom Theater Rosenheim (Bayern) in einer Übersetzung von Horst Rankl. Ein minimalistisches Bühnenbild bot den Rahmen für die lustvoll präsentierte Geschichte von Molières Geizigem, der den wahren Lebenswert bis zuletzt im Monetären sieht.
Spritzig, knallbunt in Kostümen und Bühnenbild, mit Spielfreude und russischen musikalischen Akzenten zeigte sich die Jugendtheatergruppe Skomorochi aus Erlangen (Bayern). Sie zogen in Anlehnung an die Romanvorlage von Lewis Carroll das Publikum in Alices schillernde Fantasiewelt.
Ein Theaterstoff aus der Region für die Region, historische Kostüme und ein wandlungsfähiges Bühnenbild kennzeichneten die Freilichtproduktion der Sommerspiele Überwald (Hessen). Das 30-köpfige Mehrgenerationen-Ensemble führte das Publikum ins 19. Jahrhundert und empfand mit dem „Dorfteufel – Michael Hely“ in der dramatisierten Fassung von Danilo Fioriti die Geschichte des jüngsten Sohnes der Familie Hely nach.
Die gelungene Balance zwischen ernsten Themen und einer humorvollen Sichtweise auf das gelebte Leben zeichnete die Eigenproduktion „Glocken – läuten“ des Südtiroler Ensembles Überholspur aus. Gedanken und Erinnerungen, durch das Glockenläuten ausgelöst, mündeten in mutige Bekenntnisse zum Leben, verstärkt von poetischen und musikalischen Bildern. Ladinische, deutsche und italienische Einflüsse gaben der Südtiroler Produktion eine besondere Ausstrahlung.
„Was bedeutet Volks- und Mundarttheater heute?“ Künstlerische, soziale, strukturbedingte und gesellschaftliche Fragestellungen boten viel Gesprächsstoff bei der Podiumsdiskussion mit Expert*innen des Volks- und Mundarttheaters sowie Gästen aus Kultur, Medien und Wissenschaft.
„Ich würde mir wünschen, dass wir uns wieder mehr zur Mundart bekennen“, hatte der bayerische Ministerpräsident und Schirmherr des Festivals Dr. Markus Söder in seiner Videobotschaft zum Festival betont. Aus Sicht der Veranstalter, des Bundes Deutscher Amateurtheater und der Arbeitsgemeinschaft Mundart-Theater Franken leistete das Festival WURZELWERK einen wichtigen Beitrag dazu. Die Veranstalter hoben auch die hervorragende Kooperation mit den Fränkischen Passionsspielen und dem Geldersheimer Verein für Heimat- und Brauchtumspflege mit ihrer starken ehrenamtlichen Unterstützung hervor.
Fotos: Roland Neubauer